"Gemeinsam Prävention besser machen"
Nach der Eröffnung des Lernnetzwerktreffens in Gelsenkirchen durch die geschäftsführende Vorständin des ISA, Ilona Heuchel, richtet auch der Familienminister, Dr. Joachim Stamp, seine Grußworte an die Anwesenden - per Videobotschaft. Stamp hebt die immense Bedeutung der Aufgabe, die die Koordinierenden der Kommunalen Präventionsketten erfüllen, hervor: Beste Chancen für alle Kinder, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft zu schaffen, sei das gemeinsame Bestreben von Land und Kommunen. Hier gelte es, Bestehendes weiterzuentwickeln, voneinander zu lernen und im Sinne des Leitgedankens der Lernnetzwerke "gemeinsam Prävention besser machen" zu handeln.
"Teilhabe von der Ausgrenzung her denken"
Die theoretische Brücke zur Umsetzung dieses Leitgedankens in die kommunale Praxis schaffen im Anschluss die wissenschaftlichen Inputs, die sich mit dem Fokus "Soziale Ausschlüsse verstehen und überwinden" befassen. Wie entstehen soziale Ausschlüsse? Wer ermöglicht oder verhindert die Teilhabe? Zur Einführung erläutert Professor Dr. Martin Kronauer von der Hochschule für Wirtschaft und Recht aus Berlin, in seinem Vortag "Teilhabe von der Ausgrenzung her denken" seine Thesen zur Entstehung von sozialen Ausgrenzungsprozessen und zur Ermöglichung von Teilhabe.
Kronauer verweist zur Einordnung des Begriffs auf den jeweiligen historischen Kontext, denn: Teilhabe und Inklusion seien zwar aktuelle, aber keinesfalls neue Themen. Am Beispiel der Einführung des Wahlrechts für Frauen im 19. Jahundert zeigt er auf, dass eine solche soziale Transformation ohne die "Schaffung von etwas radikal Neuem zur Ermöglichung von Inklusion" nie möglich gewesen sei. Er betont, dass zur Ermöglichung von Inklusion und Teilhabe sich nicht "die Gesellschaft" ändern müsse, sondern eine grundlegende Änderung von Institutionen und Verhältnissen nötig sei.
Worum es im heutigen Kontext gehe, seien die "verletzten Ansprüche auf Teilhabe". Denn wenn man der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen folge, sei Inklusion ein Menschenrecht - und zwar für jeden Menschen. Jeder Exklusion liege ein Machtgefälle zugrunde, attestiert Kronauer, denn nur durch Ungleichheit und ungleiche Machtverhältnisse würde Ausgrenzung erst ermöglicht. Dabei bedeute Exklusion nicht etwa "aus der Gesellschaft zu fallen", sondern vielmehr innerhalb der Gesellschaft ausgegrenzt zu werden.
Video zum Vortrag von Prof. Dr. Kronauer
"Gute Eltern oder gute Bürger sein - ein Widerspruch?"
Daran anschließend beleuchtet Professorin Dr. Susanne Frank von der TU Dortmund in ihrem Vortrag die Wohnortswahl junger Mittelschichtseltern. Diese wohnen in der studentischen Phase oftmals in gemischten, benachteiligten Quartieren. Sie schätzen dort die gelebte Vielfalt. Sobald jedoch Kinder ins Spiel kommen, verändern sich die Wohnortpräferenzen. So haben dann sozial homogene Gegenden, die ihren Kindern vermeintlich behütete Verhältnisse bieten, eine größere Anziehungskraft.
Susanne Frank kann auf der Grundlage qualitativer Interviews zeigen, dass dieses Wohnortswahlverhalten von manchen Eltern durchaus selbstkritisch gesehen wird: Diesen Eltern sind die gesellschaftlichen Folgen ihres Handelns durchaus bewusst, wie zum Beispiel dass sich so soziale Segregation in den Städten verfestigt. Die Lage stellt sich also widersprüchlich dar. Sie wollen "gute Eltern und gute Bürger sein", wie es im Titel des Vortrags heißt, merken jedoch, dass beides nicht gleichzeitig an einem Ort zu haben ist.
Laut Frank nehmen jedoch nicht alle die Situation hin, wie sie ist, sondern ziehen Konsequenzen, die ein gewisses Solidarpotential erkennen lassen. So engagieren sich manche Eltern als Bürger*innen in benachteiligten Stadtteilen und deuten ihre privilegierte Wohnlage als Ressource, die sie dazu befähigt.
„Sinngetriebene Netzwerke – Neue Impulse und Gestaltungsansätze für die kommunale Praxis“
Das gelingende Aufwachsen von Kindern zu befördern und zu gestalten, ist eine komplexe und umfassende Aufgabe, deren Bearbeitung ebenso komplexe Formen der Zusammenarbeit erfordert. Diese Zusammenarbeit - über Ressortgrenzen hinweg - verlangt ein gemeinsam getragenes Verständnis der Verantwortung aller Beteiligten. Netzwerke bieten sich hierbei als Form der Kooperation an, gelten sie doch als effizienter Weg, komplexe Aufgaben gemeinsam zu lösen.
Eleonora Weistroffer von der Ibo Beratung und Training GmbH berät alltäglich Unternehmen beim Aufbau gut funktionierender Netzwerke und weiß um die Herausforderungen, die sich dabei stellen. Sie bringt den Teilnehmenden das Thema in ihrem Vortrag "Impulse in vier Entwicklungsräumen erleben: (Zusammen-) Arbeit neu energetisieren" und den darauf aufbauenden Gruppenarbeitsphasen nahe. Die sogenannten Entwicklungsräume schaffen Möglichkeiten, die vorhandene notwendige Arbeit im Netzwerk auf viele Schultern zu verteilen; getrieben vom Sinn der Verantwortungsgemeinschaft der Kommunalen Präventionsketten für ein gelingendes Aufwachsen von Kindern.
Video zum Vortrag von Frau Weisstroffer