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aus den Kommunen

Mit der eigenen Erfahrung helfen! - Integrationsbegleiterinnen in Kitas

In Ostwestfalen-Lippe sind aktuell 27 Integrationsbegleiterinnen im Einsatz.  Sie haben selbst eine Flucht- oder Migrationsgeschichte und unterstützen Familien, die neu nach Deutschland gekommen sind, beim Ankommen in den Kitas. Die Frauen vermitteln sprachlich und kulturell zwischen Kita-Fachkräften und den Familien. Gefördert wird das Modellprojekt durch das NRW-Familienministerium und die Auridis Stiftung, durchgeführt wird es von der AWO OWL. Es ist im Jahr 2016 vor dem Hintergrund des zunehmenden Zuzugs von Flüchtlingsfamilien mit Kindern im Kindergartenalter entstanden und soll auf ganz NRW ausgeweitet werden.

In den vergangenen Jahren sind viele Menschen vor Krieg, Verfolgung oder wirtschaftlicher Not aus ihrer Heimat nach Deutschland geflohen. Oft mit traumatischen Fluchterfahrungen standen viele der geflüchteten Menschen dann in Deutschland vor einer völlig neuen Lebenssituation – einer fremden Sprache, neuen Regeln und Systemen: wie etwa dem Kitasystem.

„Einigen Eltern hat die Sicherheit gefehlt, ihre Kinder in die Kita zu schicken, weil ihnen diese Institution nicht vertraut war“, hat Franziska Eisenhuth beobachtet. Sie leitet das Projekt „Integrationsbegleiterinnen in Kitas“ der Fachabteilung Tageseinrichtungen für Kinder bei der Arbeiterwohlfahrt im Bezirksverband Ostwestfalen-Lippe e.V..

Beim Versuch, den Familien das System Kita, die Regeln und Rituale verständlich zu machen, seien die Kita-Fachkräfte oft an der Sprachbarriere gescheitert, sagt Eisenhuth. Um eine Brücke zwischen Familie und Kita zu schaffen, entstand die Idee, Integrationsbegleiterinnen einzusetzen. Familienstaatssekretär Andreas Bothe: „Der Einsatz der Integrationsbegleiterinnen ist für alle Beteiligten eine große Bereicherung im Kita-Alltag. Sie entlasten und unterstützen die pädagogischen Fachkräfte und sind wichtige Identifikationsfiguren für Familien mit Einwanderungsgeschichte oder Fluchthintergrund und deren Kinder. Zugleich wird den Projektteilnehmerinnen eine gute berufliche Perspektive geboten.“

Nicht nur für Familien und Kitas sollte das Angebot eine Unterstützung sein, sondern auch für die Integrationsbegleiterinnen selbst. Denn für viele nach Deutschland geflohene Frauen sei ein Zugang zum Arbeitsmarkt schwierig. Angebote und Maßnahmen seien leichter zugänglich für Männer, sagt Eisenhuth, weil sie in Vollzeit angeboten würden, was für viele Frauen nicht mit der Familie vereinbar sei. „Deshalb war die Idee, eine niedrigschwellige Schulung zu konzipieren, zu der nur Frauen Zugang haben.“ Sie müssen erwerbsfähig sein, leistungsberechtigt nach SGB II, selbst eine Einwanderungsgeschichte oder Fluchterfahrung haben und über genügend Deutschkenntnisse verfügen, um sich im Alltag verständigen zu können.

Das Modellprojekt ging im Jahr 2016 an den Start. Die Finanzierung übernehmen seitdem das NRW-Familienministerium und die Auridis Stiftung. In zwei Schulungsrunden in Ostwestfalen-Lippe wurden bisher 43 Frauen zu Integrationsbegleiterinnen qualifiziert. Der Träger AWO OWL führt die insgesamt sieben Monate dauernden Schulungen durch. Sie sollen die Frauen auf ihre Tätigkeit in der Kita vorbereiten und ihre Ressourcen stärken. In zwei Blöcke eingeteilt, erhalten die Frauen in den ersten vier Monaten Unterricht, darauf folgen drei Monate Praktikum in einer möglichst wohnortsnahen Kita.

Zu den Unterrichtsinhalten gehören eine Einführung in die Aufgaben von Kitas, die „Bildungsgrundsätze NRW“, die Rolle der Erzieher*innen, Kinderrechte in Deutschland, Vielfalt, Gender in deutschen Kitas, Partizipation, aber auch eine Hygieneschutz-Belehrung, Datenschutz-, Gesundheits- und Ernährungsthemen. Ebenso erhalten die Frauen eine Sprachmittlungsschulung in der sie darauf vorbereitet werden, zu dolmetschen. In einem anderen Baustein lernen die Frauen Begriffe aus dem Bereich Kita. „Dort wird erklärt, was ‚Bildungs-Dokumentationen‘ sind, aber genauso, was eine ‚Matschhose‘ ist,“ sagt Eisenhuth.

Zum Unterricht gehören auch ein Empowerment-Workshop, Bewerbungstraining und die Vorstellung verschiedener Berufe im sozialen Bereich. „Nicht für jede Frau ist die Tätigkeit als Integrationsbegleiterin dann das Richtige. Manche möchten auch in den Bereich Hauswirtschaft gehen oder streben eine Ausbildung zur Kinderpflegerin an, sodass wir da versuchen, ein breites Bild zu vermitteln,“ sagt Eisenhuth.

Die Frauengruppen in den Schulungen seien sehr heterogen. Die einen hätten Universitätsabschlüsse, andere keine Schulbildung. „Wir machen die Schulung insgesamt niedrigschwellig, um alle mitnehmen zu können.“ Das Angebot soll den Frauen Orientierung im Berufsfeld Kindertageseinrichtung geben. Sie werden dabei begleitet und beraten durch Sozialarbeiterinnen und bei erfolgreichem Abschluss erhalten sie ein Zertifikat über die Schulungsinhalte sowie eine Bescheinigung über das Praktikum in der Kindertageseinrichtung.

Der Plan, den Frauen den Zugang in den Arbeitsmarkt zu erleichtern, ist aufgegangen. Der Großteil der Frauen sei im Anschluss in den Kitas angestellt worden, meist in Teilzeit zwischen zehn und 30 Stunden pro Woche. Die Arbeitsverträge von 14 der Integrationsbegleiterinnen wurden im Jahr 2019 entfristet. Andere Teilnehmerinnen strebten im Anschluss Weiterqualifizierungen an.

Die Kitas seien zufrieden, sagt Eisenhuth, das habe eine interne Evaluation ergeben. Die Fachkräfte aller Projekt-Kitas empfänden demnach die Integrationsbegleiterinnen als bereichernde Ergänzung des pädagogischen Fachteams. „Sie können die Fachkräfte unterstützen und eine Brücke zwischen den Familien und dem Kita-Team sein.“

Die Bindung der Eltern an die Kita ist zudem laut Eisenhuth durch die Zusammenarbeit mit der Integrationsbegleiterin enger geworden, weil sie das System Kita besser verstünden oder auch öfter an Festen und Veranstaltungen teilnehmen. Vorher hätten manche Familien nicht verstanden, was ein Laternenfest sei: „Wenn die Integrationsbegleiterinnen das erklären können, dann wird so etwas auch gerne angenommen, und die Kita kann auch für die Eltern ein Ort sein, an dem sie sich gerne aufhalten.“

Laut der Auridis Stiftung leisten die Integrationsbegleiterinnen in Kitas einen wichtigen, gesellschaftlichen Beitrag. „Sie stellen eine wertvolle Unterstützung für Kinder und Familien mit Zuwanderungsgeschichte dar und bereichern darüber hinaus auch den gesamten Kita-Alltag. Wir freuen uns, dass das Projekt die Bedarfe vor Ort trifft und vielerorts bereits nachhaltig verankert werden konnte.“

Viele der Integrationsbegleiterinnen selbst hätten dem Projektteam gesagt, dass die Schulung ihre Chance gewesen sei, durch ihre Arbeit etwas weiterzugeben und, wie sie selbst sagen, „nützlich“ zu sein. „Weil sie selber dieses Gefühl kennen, nicht Bescheid zu wissen in Deutschland und jetzt froh sind, anderen Menschen helfen zu können.“

 

weiter Informationen unter:
https://awo-kitas-owl.de/integrationsbegleiterinnen.html

 

 

 

Foto: ISA / Andreas Endemann