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14. Lernnetzwerktreffen: "Gemeinsam besser werden"

Im 14. Lernnetzwerktreffen diskutierten die 18 Modellkommunen über die Weiterentwicklung ihrer Präventionsketten. Was sind die Voraussetzungen für eine stetige Steigerung der Qualität von Präventionsarbeit? Und wie lässt sich Gelerntes für die Zukunft einsetzen?

"Es ist Vieles geschafft und in die richtige Richtung bewegt worden" resümierte Ilona Heuchel, Geschäftsführerin des Instituts für soziale Arbeit (Träger der Landeskoordinierungsstelle "Kein Kind zurücklassen!") nach vier Jahren Zusammenarbeit im Lernnetzwerk der 18 Modellkommunen. Erfolge ließen sich daran bemessen, was durch das Modellvorhaben für die Familien und Kinder herausgekommen sei, betonte Heuchel. Einiges sei bereits erreicht worden. "Und dennoch müssen noch viele dicke Bretter gebohrt werden." Veränderungsprozesse in der Präventionsarbeit zu gestalten, koste Zeit. Man müsse vorausschauend denken und Spannungen ausbalancieren. "Es ist wichtig, Innovationskraft sowie Geduld bei der Umsetzung einzusetzen und möglichst alle Kommunen in NRW mit auf den Weg zu nehmen" erklärte Heuchel.

Auch Marco Becker vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport (MFKJKS) zog eine positive Bilanz. "Es hat sich gelohnt in den letzten vier Jahren." Die Erfolge bemessen sich an den Zukunftschancen der Kinder. Und um diese zu verbessern brauche es einen langen Atem und das richtige Know-how. Vor allem müsse dieses Know-how, das in den Modellkommunen in den letzten Jahren erarbeitet wurde, landesweit Verbreitung finden. Dazu plane die Landesregierung die Öffnung des Programms "Kein Kind zurücklassen!" für alle Kommunen in NRW.

Dr. Regina von Görtz von der Bertelmann Stiftung stellte Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Begleitforschung vor: "Die Ergebnisse aus Praxis und Forschung stützen sich gegenseitig und zeigen, dass Prävention wirkt." Insbesondere die frühe Förderung könne Entwicklungsdefizite ausgleichen. So wirke sich etwa die frühe Mitgliedschaft in einem Sportverein auf die gemessenen Deutschkenntnisse bei der Schuleingangsuntersuchung aus. Die Studie untersucht Kinder ohne Migrationshintergrund, die in armen Familien groß werden. Hier konnte ein erheblicher Unterschied in den Deutschkenntnissen festgestellt werden, wenn diese Kinder in eine sozial durchmischte Kita gehen und in einen Sportverein. Die Wahrscheinlichkeit für mangelhafte Sprachkenntnisse sinke laut Bertelsmannstudie von 37,5% auf 7,6%.

Nun stellte sich die Frage, wie der Zugang zu diesen Familien am besten gelingen könne. Hier gab von Görtz dem ersten Kontakt eine besondere Bedeutung. Die erste Erfahrung mit einem Präventionsangebot sei prägend und entscheide über die spätere Bereitschaft der Familie auch weiterhin Hilfsangebote wahrzunehmen. Aufgrund dieser Lotsenfunktion sei es sinnvoll, alle Kraft in den Anfang zu legen, folgerte von Görtz. Die Unsicherheit in der Elternrolle sei grundsätzlich weit verbreitet. Dabei seien die Eltern der wichtigste Faktor für gelingendes Aufwachsen. Besonders gut gelänge der Zugang zu den Eltern über den Gesundheitsbereich. Bei der Integration des Gesundheitsbereichs in die lokalen Präventionsketten sah von Görtz noch ungenutzte Möglichkeiten.

Im zweiten Teil des Lernnetzwerktreffens hatten die Teilnehmer die Gelegenheit ihre Präventionskette zu diskutieren und konkret qualitativ weiterzuentwickeln. Das Präventionsnetzwerk verstehe sich als lernende Organisation mit dem Ziel "gemeinsam besser zu werden", erklärte Dr. Heinz-Jürgen Stolz von der Landeskoordinierungsstelle "Kein Kind Zurücklassen! Kommunen in NRW beugen vor". "Dabei gibt es kein Schema-F." Jede Kommune sei an einem anderen Punkt gestartet und jede Kommune gehe einen eigenen Weg. Und doch könne man gemeinsame Standards für gute Präventionsarbeit benennen. So seien etwa Bildungsübergänge fließend gestaltet worden. Die Akteure haben verstanden, dass Eingewöhnungsmodelle nicht nur beim Eintritt in die Kita von Bedeutung sind, sondern auch für den Übergang in die Grund- und weiterführende Schule entwickelt werden müssen. Ein weiterer Präventionsstandard zielt auf die Verteilung von Fördermitteln ab. Hier brauche es einen genauen Blick. Denn es gelte Ungleiches ungleich zu behandeln. Es muss genau geschaut werden, welche Einrichtung viele Kinder mit mehr Förderbedarf hat und hier müssen dann auch mehr Fördermittel hinfließen. Weiter bedürfe es einer multiprofessionellen Zusammenarbeit. Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen sollten zum Wohle des Kindes zusammenarbeiten und verwaltungsinterne Begrenzungen aufbrechen. Die Beteiligungsebenen haben sich geöffnet. Nicht nur die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und begleitenden Organisationen sei wichtig. Auch die Familien müsse man mit ins Boot holen. Die Eltern zu stärken sei ein elementarer Ansatz. Sie stellen den wichtigsten Faktor dar, wenn das Ziel heißt, die Kinder zu stärken.

Dr. Stolz stellte als Resultat der gemeinsamen Arbeit mit den Kommunen einen Qualitätskreislauf vor, der sechs Stationen identifiziert, die für den Aufbau einer Präventionskette eine elementare Voraussetzung darstellen. Dieser sei "kein Masterplan", so Stolz, "aber eine Landkarte und Navigationshilfe." Wichtig war Stolz, dass es sich bei diesem Kreislauf um einen mehrfach zu durchlaufenden Prozess handele. Die verschiedenen Stationen müssen immer wieder neu hinterfragt und diskutiert werden um die Präventionskette fortwährend anzupassen und zu verbessern.

Die einzelnen Stationen standen dann noch einmal einzeln zur Debatte und wurden von den kommunalen Vertretern bewertet und gewichtet. Jede Kommune konnte eigene Erfahrungen mit dem kommunalen Präventionsleitbild, der strategischen Zielfindung, der kommunalen Steuerung, der bereichsübergreifenden Datengewinnungsstrategie, der integrierten Datennutzung und wirkungsorientierten Steuerung einbringen. Wo sind die Hindernisse versteckt? Wo gibt es Erfahrungen zum Austausch? Zur Audio Slide Show

Zum Ende des Lernnetzwerktreffens kam die Landeskoordinierungsstelle einem Wunsch der Kommunen nach. Vertreter der wichtigsten Organisationen in der landesweiten Präventionsarbeit stellten sich gemeinsam dem Gespräch:  

Norbert Wörmann (Fachstelle für sozialraumorientierte Armutsbekämpfung), Mark Becker (RuhrFutur), Christoph Gilles (LVR-Koordinationsstelle Kinderarmut), Heiner Nienhuys (Landeskoordinierungsstelle Frühe Hilfen), Johannes Schnurr (Transferagentur Kommunales Bildungsmanagement NRW), Dr. Antonio Brettschneider (Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung), Dr. Uwe Kremer (MedEcon Ruhr), Dr. Heinz-Jürgen Stolz (Landeskoordinierungsstelle "Kein Kind zurücklassen!")

Vernetzung sei eben nicht nur eine wichtige Voraussetzung auf kommunaler Ebene, sondern auch auf Landesebene. Alle Akteure waren sich einig, dass Parallelstrukturen in der Präventionsarbeit vermieden werden müssen. Und so war das Versprechen aus diesem Kreis der Landesorganisationen: enger zu kooperieren und in Zukunft an einem Strang zu ziehen.

Ilona Heuchel, geschäftsführender Vorstand des ISA, stellte wichtige Präventionsprojekte aus NRW vor. Bild: ISA/Norbert Smuda.