Kinder von psychisch erkrankten und/oder abhängigkeitserkrankten Eltern erreichen - aber wie?
„Raus aus dem Haus - hin zu den Kindern"
-Projekt für besonders belastete Familien im Rahmen der Kommunalen Präventionskette des Kreises Steinfurt-
Durchgeführt wird das Projekt durch die Diakonie West/ Suchtberatung Lengerich in Kooperation mit dem Arbeitskreis „Kinder aus belasteten Familien“, dem Amt für Soziales und Pflege und dem Kreisjugendamt des Kreises Steinfurt. 2024 findet das Projekt inzwischen vier Jahre in Folge statt.
Zielgruppe: Kinder von psychisch erkrankten und /oder abhängigkeitserkrankten Eltern
Kinder von psychisch erkrankten Eltern haben besondere Herausforderungen zu bewältigen. Überforderungen in vielerlei Hinsicht verhindern häufig ein kindgerechtes "groß" werden. Im Kreis Steinfurt gibt es Vieles in der „normalen“ Regelstruktur zur Unterstützung von Kindern mit einem psychisch erkrankten und /oder einem abhängigkeitserkrankten Elternteil. Immer wieder fällt auf, dass Kindern besonders in problembelasteten Situationen, erwachsene Ansprechpersonen fehlen. Ebenso ist es für die Kinder wichtig wahr zu nehmen, dass nicht nur sie erkrankte Elternteile haben, sondern dass es eine Vielzahl von Kindern gibt, denen es genauso geht, wie ihnen selber. Kinder und Eltern brauchen Unterstützung um die Tabuzone zu verlassen und offen mit belasteten Familiensituationen umzugehen. Überforderungssituationen von Kindern und Eltern können dann deutlich werden und positive Veränderung beginnen.
Was ist Inhalt des Projektes?
Kernstück des Projektes ist ein Familienwochenende mit Kindern und deren psychisch und/oder abhängigkeitserkrankten Eltern. Durchgeführt wird das Wochenende von Mitarbeitenden der Suchtberatungsstelle Diakonie West und Mitwirkende aus dem Arbeitskreis „Kinder aus belasteten Familien“. Neben einem Familienwochenende im September finden mehrfach im Jahr verschiedene Aktionstage für Kinder aus dem Familienwochenende statt. Diese Angebote sind geöffnet auch für andere Kinder aus belasteten Familien.
Das Projekt, mit erlebnispädagogischem Schwerpunkt, bietet Chancen die Eltern-Kind Interaktion zu stärken. Gleichzeitig haben Kinder aus belasteten Familien die Möglichkeit sich gegenseitig kennenzulernen. Ressourcen von Eltern und Kindern werden wahrgenommen und gefördert. Eine altersgerechte Entwicklung von Kindern wird unterstützt.
Die Befragung aus 2017* „Was brauchen Familien im Kreis Steinfurt“ zeigt, dass belastete Familien nicht ständig „durchgefördert“ werden möchten, sondern auch eine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme zu Andern bzw. Möglichkeiten zur entspannten Freizeitgestaltung wünschen. Weniger Förderung und Forderungen, sondern gemeinsam eine schöne Zeit zu erleben, sind auch deshalb erklärtes Ziel in diesem Projekt. Das Erlernen von Problemlösungs-und Bewältigungsstrategien ergibt sich durch das gemeinsame Tun. Wesentlicher Schwerpunkt ist aber ein zwangloser, freiwilliger Kontakt der Eltern und besonders der Kinder untereinander und zu den Mitarbeitenden aus den Hilfesystemen. Eine „Ulla von der Suchtberatung" mit der ein Kind am Lagerfeuer gesessen hat, wird in problematischen Situationen eher angerufen, als eine Mitarbeiterin, die das Kind kaum kennt. Weniger Förderung, sondern Kontakt und die Herstellung einer Vertrauensbasis stehen im Vordergrund.
Kinder können ganz Kind sein und erleben, dass sie und ihre Eltern während der Aktionen gut versorgt sind. Allein die Tatsache immer genug zu essen zu haben, ist für manche Kinder eine neue Erfahrung. Grundbedürfnisse werden erfüllt, ohne dass sich die Kinder darum bemühen müssen.
Die Familienwochenenden werden sehr gut angenommen. In diesem Jahr finden auf Grund der großen Nachfrage zwei Wochenenden statt.
Stolpersteine
Einige Familien hatten sich zum ersten Familienwochenende angemeldet, sind aber nicht gekommen? Warum nicht? Sie hatten sich angemeldet, sogar die Sachen gepackt und dann festgestellt, dass sie keine Möglichkeit hatten zum Veranstaltungsort zu kommen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist es schwer den Veranstaltungsort zu erreichen und für die betroffenen Familien unmöglich. Nachdem wir einen Fahrdienst ermöglicht haben, ist dieses Problem gelöst.
Welche Ziele wurden erreicht?
Kinder berichten in der Schule, dass sie zum ersten Mal im Leben auch in den Urlaub gefahren sind. Zitat eines Jungen: „Wir haben Urlaub gemacht mit all inclusive und Animation.“ Kinder konnten unbeschwerte Zeit in einem geschützten Rahmen genießen. Eltern konnten sich auf Kontakte mit andern einlassen und wahrnehmen, dass es ihren Kindern gut geht.
Neben den erlebnisorientierten Erfahrungen lernen Kinder, wie auch Eltern Ansprechpersonen aus den Hilfesystemen neu kennen. Eine Basis für vertrauensvolle Beratung und Unterstützung wird durch das Projekt geschaffen.
Lotsen- und Begleitfunktionen der Mitarbeitenden aus den Hilfesystemen werden durch Kinder und Eltern nachhaltig wahrgenommen.
Mundpropaganda durch die belasteten Familien zeigt, dass das Projekt niedrigschwellig ist und den Bedarfen der Familien entspricht.
Tipp für andere Kommunen
• Vernetzung der Hilfesysteme ist der Schlüssel für gute, nachhaltige Präventionsarbeit
• Bedarfe von Familien nicht nur definieren, sondern niederschwellig erfragen
• Familien auch als System wahrnehmen und nicht ausschließlich jedes Familienmitglied einzeln in den Fokus nehmen