language
Expertisen

Netzwerkarbeit in der Corona-Krise

In Krisenzeiten müssen sich Netzwerke ganz neuen Herausforderungen stellen

Die Akteure eines Netzwerks werden zusammengerufen, um langfristig von gebündelten Ressourcen und Wissensbeständen zu profitieren. Eigenverantwortliche und selbstorganisierte Netzwerke bauen dabei nicht auf Hierarchie, Macht oder Kontrolle, sondern auf Kooperation(-sbereitschaft), Motivation und Gemeinschaftsarbeit für einen höheren gemeinsamen Sinn auf. Nur wenn die einzelnen Akteure eines Netzwerks hinter der gemeinsamen Idee stehen, können sie eigenmotiviert für die gemeinsame Arbeit eintreten.

Um, wie im Programm kinderstark – NRW schafft Chancen, jedem Kind ein gelingendes Aufwachsen zu ermöglichen, Teilhabechancen zu verbessern und Ungleichheiten zu verringern, braucht es das breite Wissen und die gebündelte Kraft der gesamten Kommune. Dafür werden ämter- und trägerübergreifende, also gesamtkommunale Netzwerke gegründet. Um diese dauerhaft lebendig zu halten, brauchen sie eine bereichsübergreifende Kooperation und wohlgesonnene Zusammenarbeit, damit die Mitglieder eines Netzwerks über längere Zeit eigenmotiviert und produktiv arbeiten (können).

Trotz der geballten Kraft eines Netzwerks und seinen enormen Vorteilen gegenüber dem „Einzelkämpfertum“, sind auch sie nicht davor gefeit, als träge oder ineffektiv empfunden zu werden. Je größer ein Netzwerk, desto mehr Aufwand muss betrieben werden, um es wortwörtlich am Laufen zu halten. Die Gründe für ein Erlahmen des Netzwerks reichen vom Fehlen einer treibenden und strukturierenden Kraft, über zu ambitionierte Ziele bis hin zu zwischenmenschlichen Reibereien, die die innere Struktur ins Wanken bringen.

Die derzeit allgegenwärtige Corona-Krise bringt in vielen Kommunen diese Formen der Netzwerkermüdung mit sich. Viele Mitarbeitende in Kommunalverwaltungen konnten im vergangegen Jahr nicht ihren Arbeitsgewohnheiten nachgehen, entweder weil sie an Krisenmanagement-Stellen gebunden waren oder Ihnen die nötige Hardware (Laptop, Smartphone, Desktop-PC) für das Arbeiten von Daheim fehlte. Hinzu kam, dass oftmals keine (überkommunal) einheitlichen Software-Lösungen für die heute so relevanten Videokonferenzen zur Verfügung standen oder weiterhin stehen. Wie soll also ein Netzwerk zusammenhalten, dessen Akteure möglicherweise anderweitig gebunden sind und weder Möglichkeiten für analoge, noch digitale Zusammenkünfte haben?

Die vier folgenden Ansatzpunkte helfen Ihnen zum Einen dabei, ein funktionierendes Netzwerk aufzubauen, zum Anderen ein ermüdetes Netzwerk wieder zu gemeinsamer Arbeit zu motivieren:

1. Die Fokussierung auf einen gemeinsamen Sinn

Wenn die Mitglieder eines Netzwerks erkennen, dass die gemeinsamen Bemühungen für das große Ganze (wie im Programm kinderstark – NRW schafft Chancen ein gelingendes Aufwachsen für Kinder) einen Mehrwert bezwecken, ist das neben den individuellen Faktoren, die uns zur Zusammenarbeit antreiben, ein großer Gelingensfaktor. Ein treibendes und verbindendes Element in der Netzwerkarbeit ist demnach der gemeinsame Sinn. Wir nennen Netzwerke, die sich an einem solidarisch getragenen Sinn orientieren, sinnfokussierte Netzwerke. Solche Netzwerke entwickeln eine gemeinsame Sinnaussage, die zu einer größeren Identifikation der einzelnen Akteure mit dem Netzwerk und der dahinterstehenden Idee führt und somit eine erhöhte Motivation schafft. Die Sinnaussage hilft den Netzwerkakteuren bei der Konzeptentwicklung und schafft einen klaren Ankerpunkt für die Gemeinschaft, um motiviert in dieselbe Richtung zu arbeiten.

Insbesondere in Krisenzeiten, wie der COVID19-Situation, müssen sinnfokussierte Netzwerke ihre Sinnaussage überprüfen und ggf. an die aktuelle Situation anpassen. Für die Programmkommunen kinderstark – NRW schafft Chancen bedeutet das, sichtbar zu machen, welchen Stellenwert die Prävention in Zeiten von Interventionsmaßnahmen hat und wie enorm die Möglichkeiten eines bereichsübergreifenden Netzwerks gegenüber den einzelnen Linien hinsichtlich von Kindergesundheit, Bildung, Mobilität usw. sind.

siehe hierzu: Praxishandreichung „Sinnfokussierte Netzwerke entwickeln

 

2. Klare Verteilung von Rollen und Verantwortlichkeiten

Für eine erfolgreiche Arbeit in Netzwerken ist es wichtig, dass alle Akteure zusammen arbeiten. Besonders bedeutend ist verlässliche Zusammenarbeit, wenn sich das Netzwerk mit Krisenbewältigung beschäftigen muss und die Ereignisse sich überschlagen. Dann sollte jeder Einzelne für das Netzwerk verantwortlich sein! Eine gemeinsame Verantwortungsübernahme allein reicht jedoch nicht aus, solange nicht geklärt ist, wer konkret für welche Prozesse verantwortlich ist. Sonst kann es dazu kommen, dass gewisse Aufgaben liegen bleiben oder besonders beliebte To-Dos gleich von vielen Personen im Netzwerk angefasst werden. Gezielt die Rollen und damit verbundenen Aufgaben in einem Netzwerk zu benennen und an Akteure zu verteilen, kann daher die Zusammenarbeit deutlich strukturieren. Insbesondere für die Koordination des Netzwerks führen verlässliche Absprachen zu einer Entlastung. So weiß sie/er zu jeder Zeit, wer für was verantwortlich ist, von wem welche Aktivität und welche Entscheidung zu erwarten istund wozu jeder einzelne beteiligte Akteur an Bord ist.

Damit die Koordination Verlässlichkeit im Netzwerk herstellen kann und auch ihre eigenen Rollen und Aufgaben stets vor Augen hat, haben wir ein Instrument entwickelt, das bei der Benennung und Verteilung von Rollen im Netzwerk Unterstützung bietet.

siehe hierzu: Praxishandreichungen „Das Bubble Tool“ - Klarheit und Verantwortlichkeit im Netzwerk schaffen“ und „Intersektorale Netzwerkstrukturen

 

3. Vertrauen auf zwischenmenschlicher Ebene aufbauen

Innerhalb von Netzwerken gibt es neben Beziehungen, die sich aus den jeweiligen linienstrukturellen Arbeitszusammenhängen ergeben, meist weitere formelle wie auch informelle Beziehungen zwischen den Akteuren. Das Beziehungskonstrukt innerhalb eines Netzwerks hat immer auch Auswirkungen auf das inhaltliche und strategische Zusammenarbeiten. Niemand kann eine Rolle gänzlich unabhängig von seiner Persönlichkeit, seinen individuellen Erfahrungen und Vorstellungen von Zukunft ausfüllen. Systemisch gesehen bewirkt also jede Persönlichkeit etwas innerhalb einer Gruppe. So sehr also Klarheit in Rollen und Verantwortlichkeiten, Verfahrensabläufe und Strukturen gebracht wird, so ungewiss bleibt der Einfluss von individuellen Fähigkeiten, gelebten Kommunikationsgewohnheiten und den jeweiligen Vorstellungen einer gelingenden Zusammenarbeit.

Eine Möglichkeit, diesen Einfluss zu überblicken, sind ehrliche und ergebnisoffene Gespräche mit den Akteuren, in Form von sogenannten Stakeholder-Interviews. So finden Sie heraus, ob Ihr Gegenüber die eigene Sicht der Dinge versteht, teilt oder ablehnt und welche Wünsche, Pläne und Befürchtungen er/sie hat.

siehe hierzu: Praxishandreichung „Sinnfokussierte Netzwerke entwickeln

 

4. Feiern von Erfolgen und Weiterentwickeln von gemeinsamen Zielen

Das gesamte Netzwerk zu versammeln und damit alle relevanten Akteure zusammenzubringen, ist ein wichtiges Element beim Aufbau von Netzwerkstrukturen. Doch auch während eines laufenden Prozesses ist es sinnvoll, sich regelmäßig zusammenzufinden und bisher Geleistetes gemeinsam zu feiern und zu reflektieren. Sobald sich die Arbeitsabläufe (die durch die Corona-Krise in vielen Kommunen durcheinander geraten sind) wieder etwas normalisiert haben und/oder technische Lösungen gefunden sind, kann ein (Zwischen-)Bilanzworkshop in Präsenz oder online stattfinden. Dieser Workshop ist ein Veranstaltungsformat, zu dem alle für das Netzwerk wichtigen Akteure eingeladen werden, um gemeinsam (Zwischen-)Bilanz zu ziehen. Er bietet die Gelegenheit, den aktuellen Stand im Prozess zu skizzieren und mit Blick auf eine Qualitäts- und Fortschrittsentwicklung zu reflektieren.

Der besondere Effekt einer solchen Veranstaltung ist die neue Motivation, die bei den Beteiligten, vor allem durch die Würdigung des bisher Geleisteten entsteht. Die Akteure nehmen sich so als wichtigen Baustein für das gesamte Netzwerk wahr und die Vernetzung untereinander wird bestärkt. So können Sie gemeinsam den strategischen Blick neu ausrichten!

siehe hierzu: Praxishandreichung „Veranstaltungsformate zur Gesamtstrategie

 

Fazit

Netzwerkarbeit ist kein Selbstläufer, aber sie lohnt sich! Netzwerke wollen gehegt und gepflegt werden, insbesondere in Krisen-Zeiten hilft ein effektiv arbeitendes, gesamtkommunal ausgerichtetes Netzwerk bei einer lösungsorientierten Herangehensweise. Nur jene Netzwerke, die stetig an ihrer gemeinsamen Ausrichtung arbeiten, klar explizieren, wer welche Funktionen hat und in denen vertrauensvolle Beziehungen gepflegt werden, werden am Ende ihrer Vision Schritt für Schritt Näherkommen!

 

Die Langversion dieses Artikels ist in der ersten Ausgabe des "NIF – Das Netzwerk-Magazin“ der Stadt Dortmund im November 2020 erschienen und unter diesem Link zu finden.

 

Autorinnen: (v.l.) Vera Deffte & Eva-Maria Frühling, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen bei der Servicestelle Prävention im Programm „kinderstark – NRW schafft Chancen“, Träger der Servicestelle: Institut für soziale Arbeit e.V., Münster